Osteopathie in Österreich. Interview mit Dr. Gabriele Von Gimborn
(2-2013)
Dr. Von Gimborn
Interview mit Frau Dr. Von Gimborn
von Christoph Newiger
Liebe Frau Dr. Von Gimborn,
Sie sind mehrere Jahre Obfrau, also erste Vorsitzende der Österreichischen Gesellschaft für Osteopathie, OEGO, gewesen. Seit kurzem haben Sie eine Nachfolgerin, sind aber als wissenschaftlicher Beirat weiterhin im Vorstand tätig. Viele Osteopathen in Deutschland sind mit den Gegebenheiten in Österreich nicht vertraut. Lassen Sie uns deshalb die Osteopathie in beiden Länder vergleichen:
In Deutschland gilt Osteopathie als Heilkunde und darf als solche nur von Ärzten und Heilpraktikern vollumfänglich ausgeübt werden. Physiotherapeuten sowie Masseure und medizinische Bademeister dürfen dagegen nur im Delegationsverfahren Osteopathie praktizieren. Welchen rechtlichen Status hat die Osteopathie in Österreich, von welchen Berufsgruppen darf sie ausgeübt werden und in welchem Umfang?
Die Osteopathie in Österreich ist nur den Ärzten und Physiotherapeuten vorbehalten, wobei die Physiotherapeuten nur mit Zuweisung eines Arztes arbeiten dürfen. Die Osteopathie ist in Österreich nicht als eigenständiger Beruf angesehen und fällt unter das Ärztegesetz bzw. MTD-Gesetz (das Bundesgesetz über die Regelung der gehobenen medizinisch-technischen Dienste).
Es gibt also, wie auch in Deutschland, keinen eigenständigen Beruf Osteopath?
Richtig, aber wir sind in laufenden Verhandlungen mit der Regierungsebene, wie den Gesundheitssprechern aller Parteien und dem Gesundheitsminister Alois Stöger. Wir haben hier in Österreich einen ausgeprägten Wildwuchs an „Pseudo-Osteopathen“. Erschwerend kommt noch hinzu, dass es diverseste Anbieter für Ausbildungen in Craniosacral-Osteopathie, Viszeralosteopathie gibt, die Personen schulen, die dann in Ausübung dieser Tätigkeit gegen die Gesetzeslage verstoßen.
Die osteopathische Landschaft ist bei uns sehr heterogen. Viele unterschiedliche Verbände und Schulen reklamieren die Osteopathie für sich. Es gibt Kooperationen, wie etwa die der Verbände und Schulen im Dachverband BAO, es gibt aber auch viel Konkurrenz. Wie sieht dazu im Vergleich die osteopathische Landschaft in Österreich aus?
Derzeit gibt es in Österreich nur eine Standesvertretung nämlich die OEGO und wir hoffen, dass dies so bleibt und wir damit alle an einem Strang ziehen können. Diese bisherige Entwicklung und das einheitliche Auftreten von Ärzten und Physiotherpeuten wurde besonders lobenswert von unserem Gesundheitsminister hervorgehoben.
In Deutschland hat die Osteopathie auch Kritiker. Diese sprechen ihr zum einen ihre Eigenständigkeit ab, wie die Bundesärztekammer mit ihrer „Wissenschaftlichen Bewertung osteopathischer Verfahren“ in 2009, oder bemängeln „die nicht ausreichende Datenlage“ in Hinblick auf wissenschaftlichen Studien zur Osteopathie. Welchen Status besitzt die Osteopathie in österreichischen Fachkreisen?
Ich denke, dass wir hier eine ähnliche Situation wie in Deutschland haben. Wir haben eine wissenschaftliche Studie in Auftrag gegeben und diese wurde auf Regierungsebene begrüßt, jedoch herrscht unter den Ärzten in Bezug auf die Osteopathie doch noch Ignoranz und daher hat diese in Fachkreisen noch immer nicht die Anerkennung, die ihr zustehen würde.
Seit Anfang 2012 erstatten bei uns zunehmend mehr gesetzliche Krankenkassen anteilig Osteopathie. Die Osteopathie ist damit vom zweiten Gesundheitsmarkt der privat finanzierten Produkte, Dienstleistungen und Gesundheitskonzepte zusätzlich in den ersten Gesundheitsmarkt vorgedrungen, also dem der klassischen Gesundheitsversorgung. Wo befindet sich die Osteopathie innerhalb des österreichischen Gesundheitssystems? Wie erfolgen bei Ihnen Abrechnung und Finanzierung osteopathischer Leistungen?
Osteopathische Leistungen werden in Österreich nur von Privatversicherungen im Rahmen des jeweiligen Leistungskataloges abgegolten. Es gibt jedoch in einigen Bundesländern Bestrebungen Teilaspekte der Osteopathie, wie strukturelle osteopathische Techniken, rückzurefundieren. Jedoch gibt es von der OEGO diesbezüglich Bedenken, da der osteopathische Grundgedanke verloren geht und damit die Notwendigkeit eines eigenen Berufsstandes.
Die Ausbildung zum Osteopathen ist in Deutschland nicht einheitlich geregelt. Sie erfolgt bei einem entsprechendem Grundberuf berufsbegleitend oder in Vollzeit. Es gibt auch darauf aufbauende Studiengänge mit Bachelor- und Masterabschluss sowie grundständige Studiengänge, die keinen medizinischen Grundberuf erfordern. Welche Ausbildungsmöglichkeiten gibt es in Österreich?
In Österreich ist die Ausbildung derzeit nur berufsbegleitend und da diese nur Ärzten und Physiotherapeuten vorbehalten ist, haben alle einen medizinischen Grundberuf mit dementsprechend medizinischen Kenntnissen. Wir haben in Österreich zwei Schulen, nämlich die Wiener Schule für Osteopathie (WSO) und die International Academy of Osteopathy (IAO). Die WSO hat eine Kooperation mit der Donau-Universität Krems und die ersten 5 Jahre werden von der WSO organisiert und beinhalten ab Herbst 2013 5 Seminare zu je 4,5 Tagen pro Kursjahr.
Daran schließt ein Universitätslehrgang an, der in Kooperation mit der Donau-Universität Krems veranstaltet wird. Ein neues, flexibleres Modell ermöglicht ab 2013 ein modulares Studium, bei dem wahlweise einer der folgenden Abschlüsse möglich ist:
• Akademische/r Experte/In (ohne die Notwendigkeit eine Master-These zu verfassen) 3 Semester
• Master of Science (Osteopathie) mit 120 ECTS-Punkten (anstatt wie bisher 90 ECTS Punkte) 4-5 Semester
Die IAO hat eine akademische Zusammenarbeit mit The University of Wales und The University of Applied Sciences Tyrol (fhg), sodass die Studenten mit dem Diplom in Osteopathie, den Bachelor of Science with Honours in Osteopathy oder den Master of Science in Osteopathie abschließen können.
Kann ein Osteopath aus Deutschland in Österreich problemlos arbeiten? Für die osteopathische Tätigkeit in Deutschland ist ja, wie zu Beginn beschrieben, der jeweilige Grundberuf entscheidend.
Um in Österreich als Osteopath arbeiten zu dürfen ist entscheidend, dass der Osteopath vom Grundberuf Arzt oder Physiotherapeut sein muss. Da es bei uns den Heilpraktiker nicht als Berufsbild gibt, dürfen diese auch in Österreich nicht praktizieren.
Wagen wir einen Blick in die Zukunft: Wann wird es den eigenständigen Beruf des Osteopathen in Österreich geben und auf welchem Weg will man dieses Ziel erreichen?
Wie oben erwähnt sind wir in ständigen Kontakt mit der Regierungsebene. Da aber im Herbst eine neue Legislaturperiode beginnt, werden wir nach der neuen Regierungsbildung die Gespräche wieder aufnehmen. Bisher sind wir auf offene Ohren gestoßen und konnten die Gespräche bis auf die Ministerebene ausweiten. Zum anderen versuchen wir immer wieder in Gesprächen mit Ärzten aus den Kammern diese von der Sinnhaftigkeit der Anerkennung der Osteopathen zu überzeugen und den Physios einen Primärkontakt in Anlehnung an das Psychotherapiegesetz zu ermöglichen. Meiner Meinung sollte dies so schnell wie möglich erfolgen, um den oben erwähnten Wildwuchs einzudämmen und damit dem Patienten Sicherheit und Qualität zu gewährleisten.
Was kann die Osteopathie in Deutschland von der in Österreich lernen und umgekehrt?
Wie sich die Situation in Deutschland jetzt präsentiert, ist eine Aufsplittung in eine Unzahl von verschiedenen Verbänden kontraproduktiv, da dadurch ein starkes gemeinsames Austreten verhindert wird. Hier zeigt sich wieder das Sprichwort: “Zu viele Köche verderben den Brei!“ Wir arbeiten intensiv daran, dass die Osteopathie in Österreich baldigst anerkannt wird und vielleicht können wir dann unserem Nachbarland ein Vorbild sein.
Liebe Frau Dr. Von Gimborn, vielen Dank für das Interview.